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medien:matthaeus-treffpunkt:200801

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in Treffpunkt 01-2008

Tschüß Kreisel

Wieder einmal waren Wahlen in Berlin. Europa-, Bundestags- oder Abgeordnetenhauswahlen, und ich freute mich wieder. Ich freute mich darauf, die Briefwahl zu beantragen, dazu musste man in die 26. Etage des Bürohochhauses Steglitz, allgemein als „Steglitzer Kreisel“ bekannt, hinauf. Von hier, aber auch von der nur zwei Stockwerke tiefer gelegenen Kantine, hatt man den besten Rundblick über den Süden Berlins. Vom Schäferberg- bis zum Glockenturm, Europacenter, Funk- und Fernsehturm, Flughafen Tempelhof und Tegel und manchmal gar die Müggelberge waren von dort zu erblicken. Viele tranken nur deshalb hier ihren Kaffee.

Jetzt sind die Lichter in dem weit sichtbaren Steglitzer Wahrzeichen ausgegangen.

Geliebt wurde das Hochhaus nie. „Pleiten, Pech und Pannen“ begleiteten und begleiten seine Geschichte bis heute, wie die Morgenpostjournalistin, Katrin Lange zum Abgesang bemerkte.

Bewegte Geschichte

Schon in den 50-ern plante der damalige Bezirk Steglitz einen Rathausneubau.

Mitte der 60-er Jahre wird entschieden, dass die schillernde Persönlichkeit der Berliner Architektenszene, Sigrid Kressmann-Zschach ihren Entwurf in die Tat umsetzen kann.

Sigrid Kressmann-Zschach ist mit dem Kreuzberger Bürgermeister Kressmann verheiratet und verfügt über beste Beziehungen zum Berliner Politiksumpf. 1968 wird mit dem Bau begonnen, dafür musste der Albrechtshof der Abrissbirne weichen. Neben dem Bürohochhaus werden ein Busbahnhof und ein Kaufhaus geplant. Einige können sich sicherlich erinnern, dass kurz nach der Eröffnung des U-Bahnhofs Rathaus Steglitz aus den Katakomben Treppen zu einem gesperrten Eingang führten. „Hertie“ versprachen die Schilder über den verschlossenen Türen. Die Baukosten stiegen schon in der Bauphase. 180 Mio DM waren geplant, schlussendlich sollte der Bau 323 Mio DM kosten, fast doppelt so viel. Kressmann-Zschach war zur diesem Zeitpunkt schon Pleite, der Berliner Bausenator Schwedler und der Regierende Stobbe mussten zurücktreten. In Berlin kam es zu einer Regierungskrise; Jochen Vogel und Richard von Weizsäcker wurden Stadtoberhäupter, danach Eberhard Diepgen. Die SPD verlor für lange Zeit ihre Vormachtstellung in Berlin. Steglitz droht eine Bauruine, das Stahlskelett war von weitem zu sehen. Becker&Kries kauften den Rohbau und entwickelten ihn zu einem Hotel und Bürostandort. 1980 war der Bau bezugsfertig. Berlin mietete den Bau für 8 Jahre und verpflichtete sich, ihn danach zu kaufen. 1988 ging das Hochhaus für 34 Mio an das Land Berlin über, die Baukosten wurden schon über die Miete längst eingefahren.

Wegen Asbest geschlossen

Nur ein Jahr später entdeckte man Asbest in dem Haus. Lange Diskussionen folgten, wie, wann und ob das Hochhaus saniert oder abgerissen werden sollte.

Becker & Kries als Eigentümer der Ladenpassage, des Hotels und des Parkhauses sanierten ihren Bestand zügig. Die BVG baute den Busbahnhof neu, nur der Bezirk betrieb Flickwerk. 2004 hat ein Gutachten den Sanierungs bedarf mit 80 bis 90 Mio. Euro beziffert. Zu viel für das Land und den Bezirk. Am 23.11.2007 zog der letzte der ehemals 700 Mitarbeiter aus dem Kreisel aus. Bürgermeister Norbert Kopp machte sprichwörtlich das Licht aus.

Investor gesucht

Die Zukunft ist noch nicht eindeutig. Falls sich ein Investor findet, wird er an ihn verkauft, wenn nicht, wird abgerissen. Becker & Kries haben als Miteigentümer ein Wörtchen mitzureden, insofern bleibt abzuwarten, was tatsächlich passiert.

von Andreas Koska ~~UP~~

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medien/matthaeus-treffpunkt/200801.txt · Zuletzt geändert: 28.07.2008 15:49 (Externe Bearbeitung)