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Artikel vom 10.01.2007

Von Bananensenf bis Hundekot

MAZ-Serie: Fläming-Orte im Straßenverzeichnis der deutschen Hauptstadt
Teil 1: die Hagelberger Straße

In vielen größeren Orten Deutschlands findet man eine Berliner Straße. Wie sieht es aber in Berlin mit Straßen aus, deren Namen einen Bezug zum Fläming haben? Gut ein Dutzend Mal ist die Region auf Straßenschildern der Hauptstadt vertreten. So erhielten allein am 3. August 1983 fünf Straßen in Marzahn den Namen von Orten aus dem Fläming. Als zu DDR-Zeiten die drei Wohngebiete Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen entstanden, wurde es Brauch, die Straßenzüge nach Heimatgegenden und Orten der dort eingesetzten Bauarbeiter zu benennen. Direkt am S-Bahnhof Ahrensfelde befinden sich die Flämingstraße, die Borkheider-, Niemegker und Rabensteiner Straße sowie der Belziger Ring. Diesen dürfte es eigentlich nicht geben, denn das Berliner Straßengesetz verbietet Doppelbenennungen. Denn die Belziger Straße gibt es bereits 99 Jahre länger im Berliner Stadtbild. Schon seit dem 11. Mai 1938 existiert in Marzahn der Wiesenburger Weg. Im Märkischen Viertel in Reinickendorf findet man die Treuenbrietzener Straße. Auch an den Hagelberg und die berühmte Schlacht wird erinnert. Die Hagelberger Straße verbindet die Yorckstraße mit dem Mehringdamm und befindet sich in Sichtweite des Kreuzbergs. MAZ-Mitarbeiter Andreas Koska besuchte zum Auftakt der MAZ-Serie diese Straße, die am 10. Dezember 1863 ihren heutigen Namen erhielt.

Die Hagelberger Straße befindet sich in angemessener Gesellschaft. Im Schatten des Sc hinkel’schen Befreiungsdenkmals auf dem Kreuzberg kreuzt sie die Katzbach-, die Möckern- und die Großbeerenstraße. Allen gemeinsam ist, dass sie nach Schlachten in den so genannten Befreiungskriegen gegen Napoleon benannt worden sind. Am 27. August 1813 hat die Schlacht bei Hagelberg stattgefunden. Im Museum auf der Burg Eisenhardt in Belzig kann man in einem Diorama den Verlauf der Kämpfe nachverfolgen. Die Benennung der Straße erfolgte am 10. Dezember 1863.

An der Grenze zwischen Schöne- und Kreuzberg

Einen Spaziergang sollte man an den denkmalgeschützten und doch schon recht stark angerosteten Yorckbrücken beginnen. Hier befindet sich die Grenze zwischen den Bezirken Schöneberg und Kreuzberg.

Im Dreieck Katzbachstraße, Möckernstraße und Yorckstraße zweigt die Hagelberger Straße in Richtung des Mehringdamms ab. Sanft an den Hügel des Kreuzbergs gelehnt und sachte hinaufsteigend. Man ist froh, dem Lärm dieser verkehrsdurchfluteten Ecke zu entkommen.

Im ersten Teilstück ist die Hagelberger Straße eher eintönig und langweilig. Auf der rechten Seite befindet sich die Adolf-Glaßbrenner-Grundschule. Der zwischen 1888 und 1890 errichtete Bau wurde im Krieg zerstört und 1960 wiederaufgebaut und erweitert. Kurz vor der Ecke Großbeerenstraße beginnt die Gründerzeitbebauung und damit auch der lebendigere Teil der Straße. Bevor man die Großbeerenstraße quert, sollte man in den Sommermonaten unbedingt den Blick nach rechts richten. In der Straßenflucht der Großbeerenstraße wird der Blick auf den Kreuzberg frei. Hier sieht man den Wasserfall den Berg heruntertosen. Eine wahre Postkartenidylle, die nur vom Sonnenuntergang am Freiheitsdenkmal überboten wird.

Noch vor der Kreuzung kann man in der Pizzeria „Dolce“ preiswert ein kleine Pizza für unterwegs mitnehmen. An der gegenüberliegenden Ecke lässt es sich trefflich im Antiquariat „Herold am Viktoriapark“ stöbern. Die Besitzerin Helga Herold führt Bücher aller Bereiche.

Die letzten 200 Meter haben es in sich. Unter der Nummer 46 hat der „Senfsalon“ sein Domizil gefunden. Was als „Ich-AG“ begann, wird inzwischen in vielen Feinkostläden angeboten, ob bei „Käfer“ in München oder „Meinl“ in Wien. Das Nobelhotel „Ritz-Carlton“ gehört ebenfalls zu den Kunden. Die ehemalige Fotografin Merit Schambach und ihr Mann Christoph, ein Opernkomponist, zaubern in ihrer Manufaktur die erstaunlichsten Senfkreationen. Von Erdbeersenf bis zum Zarensenf findet sich fast alles an Geschmacksrichtungen in den Regalen. Daneben gibt es auch Chutney’s und Marmeladen aus der eigenen Küche. Die Idee hatte Merit Schambach aus „Die Sendung mit der Maus“. Es soll dort der Satz gefallen sein „Senf passt zu allem, auch zu Bananen“, den Bananensenf kann man bis heute käuflich erwerben. Von „der Maus“ bis zum „Käpt’n Blaubär“ sind es nur vier Hausnummern. Im Haus Nr. 50 sind die Honk Studios von Johann Kiefersauer beheimatet. Johann Kiefersauer ist einer der Gestalter der bekannten Trickfilmfigur.

„Vorne wohnen, hinten arbeiten“, ist die bekannte Altberliner Mischung. Hier trifft man sie noch an. Seit 1962 ist in der Straße die „Planta Tabakmanufaktur“ ansässig. Ausgewählte Pfeifentabake werden hier hergestellt. Mischungen wie Black Vanilla, Cellini oder Sans Souci verlassen das Haus, um in über 20 Länder exportiert zu werden. In Deutschland hat die Firma einen Markenanteil von 20 Prozent. Über 150 Mitarbeiter werden hier beschäftigt. Im „rad-x“-Laden dreht sich alles um den Drahtesel. Das kleine, aber feine Unternehmen sponsert sogar einen Köpenicker Radsportverein.

In einem der Hinterhöfe liegt auch das „Hotel Transit“. Vom Einbettzimmer bis zum „Sleep Inn“ genannten Schlafsaal ist hier alles zu haben. Dass dieses Konzept Erfolg hat, zeigt die inzwischen erfolgte Neueröffnung des zweiten Hauses in Prenzlauer Berg. Jetzt sollte man die Straßenseite wechseln. Hier befindet sich der Zugang zu „Riehmers Hofgarten“, einer von Maurermeister Wilhelm Ferdinand August Riehmer um 1890 geschaffenen Idylle. Um einen Innenhof gruppierte der Bauherr 18 Wohnhäuser. Der Baublock mit wunderbaren restaurierten Fassaden erstreckt sich von der Hagelberger Straße bis zur Yorckstraße. Es ist ein großer geräumiger Gartenhof, der sich deutlich von den Hinterhöfen der Mietskasernen abhob. Hier wohnten höhere Beamte und Offiziere.

Königlich fühlen, kaiserlich speisen

Die Fassaden weisen Stilelemente von der Antike über Romanik und Renaissance bis zum Barock auf und sind mit Türmchen und Säulen versehen. In einem der Häuser hat „Riehmer’s“, ein „k. und k.“-Restaurant aufgemacht. Es lädt zu Speisen aus dem Rezeptbuch der Donaumonarchie ein. Unter dem Motto „Königlich fühlen, kaiserlich speisen“ bietet Emerson Obojes unter anderem eine „Schaumsuppe vom Riesling mit Nockerln von der Tiroler Bergforelle“ oder einen „Geschmorten Kalbstafelspitz auf Wildpreiselbeersauce, dazu feine grüne Böhnchen und Erdäpfelstrudel“ an.

Dass in dieser Straße Ludwig Sütterlin im Haus Nr. 57 zu Hause war und die nach ihm benannte Schrift aus der Taufe hob sei am Rande erwähnt. In der Hagelberger Straße 14 wohnten in den 70er-Jahren viele amerikanische und englische Musiker. John Vaughan, der später bei den „Gebrüdern Blattschuss“ die „Kreuzberger Nächte“ besang und mit Jürgen von der Lippe auftrat, war einer von ihnen. Tom Cunningham und Chris Persons gehörten wie viele andere ebenfalls dazu. In Bremen findet alljährlich ein „Hagelberger Festival“ statt. 1996 erschien in den USA eine CD mit dem Titel „Hagelberger Street – Americans in Berlin“. Diese Vielfalt liebt auch Anke Rüther. Die 39-jährige Sonderschullehrerin wohnt seit acht Jahren in der Straße. Sie mag es, dass hier so viele „freakige Spießer, eben Mittelschicht“ wohnen. Was sie nicht mag ist auf fast alle Berliner Ecken anzuwenden: Hundekacke. Mit dem Straßennamen selbst konnte sie nichts verbinden. „Hagelberg? Keine Ahnung, bin noch nicht da gewesen, wo liegt das?“ So lautete ihre Gegenfrage. Obwohl eine kleine Tafel an beiden Enden der Straße die Bedeutung des Namens erklärt.

An der Ecke Mehringdamm endet der Spaziergang durch die Hagelberger Straße. Wer noch Zeit und Lust hat, sollte sowohl den Kreuzberg erklimmen als auch durch die Bergmannstraße schlendern. Hier findet man viele Cafés und noch mehr Trödler, eine der letzten originalen Berliner Markthallen und vieles mehr.

(wird fortgesetzt)

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