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Schriftliche Anfrage Nr. 871/2

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Originaltext:

Schriftliche Anfrage Nr. 871/2 des Bezirksverordneten Koska, Andreas, Fraktion B'90/Die Grünen vom 22.03.2006 fällig am 22.04.2006

Lentzesiedlung ohne Mieter?

Ich frage das Bezirksamt:

1. Treffen Informationen zu, dass der neue Eigentümer der Lentzesiedlung die „IWG Wohnen GmbH“, eine Realteilung vornimmt, also eine Stückelung der Siedlung in quasi „Einfamilienhäuser“ betreibt?

2. Wird dadurch die Kündigungssperrfrist außer Kraft gesetzt?

3. Trifft es zu, dass in einem solchen Fall Eigenbedarfskündigungen problemlos möglich sind?

4. Trifft es zu, dass dann der Mietspiegel nicht mehr greift?

5. Hat das Bezirksamt bei einer solchen Teilung Eingriffsrechte?

6. Welche Anforderungen müssen solche „Einfamilienhäuser- oder Reihenhäuser“ in Hinblick auf die Bauordnung erfüllen?

Antwort des Bezirksamtes

Sehr geehrte Frau Bezirksverordnetenvorsteherin,

zu der o. g. Schriftlichen Anfrage nimmt das Bezirksamt wie folgt Stellung:

Zu 1.:
Ja, wie im zuständigen Ausschuss für Bauleitplanung berichtet, wurde mit Datum vom 29.07.2005 seitens des Vermessungsamtes die Bildung von 120 neuen Flurstücken auf dem o.g. Grundstück bescheinigt und die entsprechenden Unterlagen wurden zur Fort-schreibung des Grundbuches ans Amtsgericht Schöneberg abgegeben.

Zu 2.:
Die Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung setzt keine Kündigungssperrfrist außer Kraft. Die Wohnungen der Lentzesiedlung sind keine Wohnungen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus, so dass hier der allgemeine Schutz bei Eigenbe-darfs-Kündigungen gilt. Die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung ändert an diesem Rechtsstatus nichts. Weitergehende Sperrfristen, die sich u.U. aus dem Kaufver-trag zwischen Gesobau AG und der IWG Wohnen GmbH ergeben könnten, sind nicht be-kannt.

Nach Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung gilt bundesweit allgemein eine dreijährige Kündigungssperrfrist (Vgl. auch dazu § 577 a BGB). Darüber hinaus kann die Frist bis zu zehn Jahre betragen, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete bestimmt sind. Die Landesregierun-gen sind ermächtigt worden, diese Gebiete und die Frist durch Rechtsverordnung flexibel festzulegen.

Von dieser Ermächtigung hat der Senat Gebrauch gemacht. Danach beträgt die Kündi-gungssperrfrist u.a. im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sieben Jahre nach der am 1. September 2004 in Kraft getretenen Kündigungsschutzklausel-Verordnung vom 20. Juli 2004. Die Kündigungssperrfrist gilt unverändert auch für die Lentzesiedlung.

Zu 3.:
Nein, eine problemlose Kündigung bei Eigenbedarfskündigungen, die nicht im beiderseiti-gen Einvernehmen erfolgt, gibt es nicht. Im Falle einer Kündigung durch den Vermieter ist der Mieter nicht rechtlos. Eine wirksame Kündigung des Vermieters ist immer an be-stimmte Voraussetzungen gebunden. Der Mieter kann sich auch bei berechtigter Kündi-gung auf die Härteregelung der Sozialklausel berufen (§ 574 BGB).

Wichtiger Bestandteil des Kündigungsschutzes ist das Erfordernis, dass der Vermieter nur wirksam kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Miet-verhältnisses nachweist. So muss der Vermieter in einem Kündigungsschreiben genau darlegen, worauf er seine Kündigung stützt. Unterlässt er diese Angaben oder sind sie nicht ausreichend, fehlt es an der Grundlage für eine Räumungsklage.

Die §§ 573 und 573b BGB zählen beispielhaft die zulässigen berechtigten Interessen auf. Ein berechtigtes Interesse wird u.a. danach dann angenommen, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwer-tung seines Grundstücks gehindert wird und dadurch erhebliche Nachteile erleidet.

Der Übergang des Hauses oder der Wohnung auf einen neuen Eigentümer stellt jedoch für sich allein noch keinen Kündigungsgrund dar. Selbst wenn der Vermieter tatsächlich ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nachweisen kann, müssen Mieter nicht ohne weiteres ihre Wohnung räumen. Die sogenannte „Sozialklausel“ des § 574 BGB räumt Mietern das Recht ein, auch einer gesetzlich zulässigen Kündigung zu widersprechen, z. B. wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Vermieterinteressen nicht zu rechtfertigen wä-re.

Eine nicht zu rechtfertigende Härte wäre es beispielsweise, wenn kein Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen gefunden werden kann oder das Zusammentreffen von hohem Alter, Gebrechlichkeit, Schwerbehinderung, geringem Einkommen, Kinderreichtum, vom Mieter erbrachte besondere Aufwendungen für die Wohnung u.ä.

Zu 4.:
Nein, die Anwendung des Berliner Mietspiegels ergibt sich nicht aus der Rechtsform der Wohnung.

Der Mietspiegel gilt ausschließlich für nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilien-häusern in Berlin, die bis zum 31. Dezember 2003 bezugsfertig geworden sind. Er gilt aber nicht für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in Reihenhäusern, Neubau-wohnungen, die ab dem 1. Januar 2004 bezugsfertig geworden sind und preisgebundene, öffentlich geförderte Wohnungen und Wohnungen mit WC außerhalb der Wohnung.

Zu 5.:
Nur insoweit, als durch eine Grundstücksteilung keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, die den öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen.

Zu 6.:
Da für das o.g. Grundstück eine bauordnungsrechtliche Vereinigungsbaulast eingetragen wurde, werden die neu gebildeten Einzelgrundstücke bauordnungsrechtlich weiterhin als ein Gesamtgrundstück betrachtet. Somit ergeben sich in dieser Hinsicht keine Änderungen der Anforderungen an diese Gebäude gegenüber der ursprünglichen Grundstückssituati-on.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus-Dieter Gröhler

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politik/charwilm/anfragen/schriftliche/871_2.txt · Zuletzt geändert: 08.08.2006 13:51 (Externe Bearbeitung)