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In Berlin gibt es 28 Straßen und Plätze, die nach Orten in Ostprignitz-Ruppin heißen – eine Entdeckungstour
Eine Berliner Straße findet man fast in jedem Ort. Aber gibt es in Berlin Straßen, die nach Städten und Dörfern aus Ostprignitz-Ruppin benannt wurden? Ja – und es sind sogar überraschend viele. 28 Straßen und Plätze in Berlin erinnern an das Ruppiner Land und die Ostprignitz. Zwischen Hellersdorf und Spandau, Zehlendorf und Reinickendorf sind vertraute Namen zu finden.
Im Stadtbezirk Mitte befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander die Fehrbelliner, Ruppiner und Rheinsberger Straße. Alle drei liegen in der Rosenthaler Vorstadt. Die Gegend wurde ab etwa 1861 bebaut, als Berlin aus allen Nähten platzte. Seitdem haben die Straßen ihr Gesicht kaum verändert. Die Gründerzeitfassaden sind in den letzten Jahren restauriert worden, oder großformatige Plakate kündigen die Sanierung und Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen an.
Die 71-jährige Frau Thiele wohnt seit 1967 in einem der schmucken Gebäude an der Fehrbelliner Straße, die seit dem 23. April 1863 so heißt. Thiele bedauert, dass sie eine der letzten alten Mieterinnen ist. „Viele sind weggezogen, jetzt sind fast nur noch Westler hier“, sagt sie, betont aber gleich: „Wir haben Glück, unsere Nachbarn sind nett.“ In Fehrbellin sei sie noch nie gewesen, erzählt sie.
Auch in der Rheinsberger Straße, die seit 29. Mai 1862 so heißt, stehen einige Häuser unter Denkmalschutz. Das gilt auch für das dortige Musikgymnasium „Carl Philipp Emmanuel Bach“.
Alle Straßen der Rosenthaler Vorstadt sind nach Orten nördlich Berlins benannt. Am Arkonaplatz hört man schon von Weitem fröhliche Kinderstimmen. Der dortige Spielplatz ist ein beliebter Tummelplatz für die Kinder der benachbarten Grundschule, die an der Ruppiner Straße liegt. An den Wochenenden findet hier ein gut besuchter Flohmarkt statt. Die Ruppiner Straße führt in Richtung Norden. Früher endete die Straße an der Mauer, um dann im Bezirk Wedding neu zu beginnen. Der Mauerstreifen ist noch gut zu erkennen.
Keine Ahnung, wo dieses Lindow liegt
Im Dezember 1864 wurde die im Wedding liegende Lindower Straße benannt. Sie zieht sich entlang der Ringbahn vom Bahnhof Wedding zum Nettelbeckplatz. Nur sechs Wohnhäuser stehen in der Straße, sonst sieht man Baulücken, Autowerkstätten und andere Kleinstbetriebe. Da ist die Sahin-Fahrschule, der Sevindik Market oder der Tanyilmaz-Autoservice – man merkt, woher die Mehrheit der Bewohner kommt. Zwei Moscheen sind ebenfalls zu finden. Im zweiten Hinterhof der Lindower Straße 24 entsteht ein türkisches Kulturzentrum. Hier befand sich früher eine Spirituosenfabrik mit großen Weinkellern. Muzaffer Türk, der seit fünf Jahren hier wohnt, erklärt bereitwillig das Vorhaben. „Im ersten Stock ist die Moschee, im Erdgeschoss wird Nachhilfeunterricht angeboten, und im Keller entsteht eine große Sporthalle für die Jugendlichen.“ Mit dem Straßennamen kann Türk nichts anfangen. Keine Ahnung, wo dieses Lindow liegt.
Martina Schmiedhofer, die Stadträtin für Soziales, Gesundheit und Umwelt im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf arbeitet am Fehrbelliner Platz. Hier bringt die U-Bahn an jedem Werktag mehr als 30 000 Beamte der umliegenden Behörden an die Oberfläche. Der Platz entstand während der Nazi-Zeit. Man sieht es den Gebäuden an.
Wo die Deutsche Arbeitsfront residierte, ist jetzt das Rathaus Wilmersdorf beheimatet. Die weiteren Gebäude werden von Bundes- und Senatsbehörden genutzt. Wer Abwechslung dazu sucht, findet sie im benachbarten Preußenpark. In den Sommermonaten versammeln sich hier von morgens bis abends die in Berlin lebenden Thailänder. Es wird gespielt, gekocht und es werden Neuigkeiten ausgetauscht. Ein Stück Asien in Berlin. Martina Schmiedhofer weiß, dass der Platz nach der Schlacht bei Fehrbellin benannt worden ist, übrigens am 8. Januar 1892. Sie ist immerhin schon einmal durch Fehrbellin gefahren.
Weiter im Westen, in Spandau, verläuft die Fehrbelliner Straße, vom Fehrbelliner Tor über die Eckschanze und die Hügelschanze quer durch die Spandauer Neustadt. Sie wurde schon 1888 benannt, die meisten Gebäude wurden erst in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet. Spandau war eine Festungs- und Garnisonsstadt. Am Fehrbelliner Tor ist noch ein ehemaliger Militärkomplex erhalten geblieben. Heute befindet sich eine Tischlerei in den roten Backsteingebäuden.
Aus Straße 13a wurde Linumer Straße
Als außerhalb der Festungswälle, etwas nördlich vom Fehrbelliner Tor, die Eigenheimsiedlung Radeland erschlossen wurde, erhielten die Straßen erst einmal nur Nummern. Namen gab’s später.
Am 11. November 1955 erhielt die Straße 13a den Namen Linumer Straße. Die Linumer Straße begrenzt die Siedlung zum Wald hin, unweit des aus dem Wetterbericht bekannten „Eiskellers“. Der Lehrer Rainer Pätzold hat hier vor etwa 15 Jahren sein Haus gebaut. Er schätzt die Ruhe und Beschaulichkeit, die aber immer häufiger durch landende Flugzeuge getrübt wird. Die Linumer Straße liegt in der Einflugschneise des Flughafens Tegel. Das Storchendorf Linum ist Pätzold wohlbekannt.
Beschaulich geht es auch in der Neuruppiner Straße in Zehlendorf zu. Schmucke Zweifamilienhäuser säumen die der früheren Mauer zugewandte Straßenseite. Die Gärten dahinter grenzten direkt an die Mauer. An der Ecke Neuruppiner Straße/Berlepschstraße erinnert ein Holzkreuz an einen missglückten Fluchtversuch. Heute ist von der Mauer nichts mehr zu sehen.
Auch auf der Kleinmachnower Seite sind neue Häuser entstanden. Karin Glöckner nutzt das schöne Wetter, um ihren Vorgarten in Ordnung zu bringen. Die ältere Dame war „selbstverständlich“ schon in Neuruppin. „Die Fontanestadt war eines unserer ersten Reiseziele nach der Wende“, sagt sie. Besonders beeindruckt hat sie aber der klare Sternenhimmel auf der Rückfahrt. „Diesen Himmel kannte ich aus Berlin nicht“, sagt sie. Fast gegenüber ihrem Häuschen zweigt die nur 100 Meter lange Kyritzer Straße ab.
Alle Straßen in diesem Viertel wurden am 6. November 1962, also ein Jahr nach dem Mauerbau, in Erinnerung an Orte aus dem benachbarten Bezirk Potsdam benannt. Die Kyritzer und Neuruppiner Straße findet sich auch an der östlichen Grenze der Hauptstadt, in Hellersdorf. In den Plattenbaubezirken war es üblich, die Straßen nach Ortschaften aus der Heimat der hier eingesetzten Bauarbeiter zu benennen. Die Neuruppiner Straße erhielt ihren Namen am 5. März 1985, die Kyritzer Straße am 22. Juli 1987. Sie liegen zwischen der Hellen Mitte, dem Zentrum Hellersdorfs und dem Ort Eiche. In der Neuruppiner Straße steht ein einziger Plattenbau, ein grauer Fünfgeschosser, der wenig einladend wirkt. In der Kyritzer Straße wohnt niemand. ~~UP~~
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